Im Rundbrief Winter 2020/21 der FABRIK in Freiburg wird einen Zwischenbericht zum laufenden Interreg-Projekt beschrieben:
Est-que tu parles français? – Oui, biensûr …?!
Zwischenbericht zum laufenden Interreg-Projekt der Voisins Solidaires
Die verschiedenen Sprachen, länderspezifische Auffassungen von Zeitmanagement und, definitiv nicht zu unterschätzen, Antragsformulare für EU-Gelder sind Hürden, die es zu überwinden gilt, wenn man in einem Dreiland-Projekt arbeitet. Geschlossene Grenzen aber, wie wir es wegen der Corona-Pandemie erleben mussten, sind eine viel größere, und vor allem unerwartete Hürde. Als Europäer: innen ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns frei zwischen den Ländern bewegen können, eine schöne Zwanglosigkeit und ein Symbol für unsere Freiheit in Europa, die wir bewahren und schätzen müssen. Paradoxerweise hat uns die Phase der Trennung enger zusammengebracht, uns vor allem auf der emotionalen Ebene stärker verbunden, und uns neu gezeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg ist.
So war das erste analoge Zusammentreffen nach dem Shut Down und nach vielen Online-Konferenzen von großer Herzlichkeit geprägt.
Im letzten FABRIK-Rundbrief hatten wir schon von dem geänderten Projektplan berichtet, aber: Was haben wir seither auf die Beine gestellt?
Les Ateliers
Es ist uns gelungen, einen großen Teil der Workshops zu realisieren, auch wenn, während ich hier schreibe, der Letzte in der Reihe abgesagt werden muss.
Im Frühjahr, kurz vor der erzwungenen Coronapause, hatten wir noch die Vision für die Solidarischen Gärten im Dreiland zu entwickeln. Alle Aktionen vereint das Ziel, ein neues Werteverständnis von Arbeit, Lohn, Konsum und Produktion zu schaffen. Hierfür entwickeln wir die regionalen Netzwerke und Strukturen über die nationalen Grenzen und schaffen ein kreatives, innovatives und solidarisches Vorbild.
En Suisse
Unsere Basler Freunde: innen richteten den Fokus auf unser tägliches Brot und luden Mitte September zu einem Workshop in eine kleine Mühle ein, die das Korn der regionalen Landwirt: innen zu Mehl mahlt. Wir besuchten einen gelernten Schreiner, der über Jahre hinweg durch die Schweiz gefahren war und in alten, nicht mehr betriebenen Mühlen nach Bauteilen suchte. Diese verwendete er, um sich eine eigene Mühle im Schuppen seines kleinen landwirtschaftlichen Betriebes zu bauen: ein mechanisches Meisterwerk, das mittlerweile das Korn der umliegenden Bauern mahlt. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, denn kleine Mühlenbetriebe sterben in der Schweiz und ganz Europa immer mehr aus und werden ersetzt durch große Industriemühlen.
En France
Im Oktober waren wir alle in Mulhouse, um zu lernen, wie Gemüse verschiedener Art haltbar gemacht werden kann. Gemeinsam haben wir Methoden der Fermentation ausprobiert und erfahren, wie Schalen und Karottengrün zu Gemüsesalzen verarbeitet werden und wie wir uns im eigenen Garten einen Silo bauen können. Wir alle sind gespannt, wie die Karotten und Kartoffeln, die jetzt in einem überirdischen Silo lagern, im Februar aussehen und schmecken werden.
En Allemagne
Im Sommer waren wir in Freiburg mit dem Öko-Winzer Andreas Dilger im Weinberg und haben alles über den ökologischen Weinanbau gelernt und noch unreife Trauben geerntet. Nach einem gemeinsamen Mittagessen im „zusammen gärten“ haben wir mit Stefanie Koch, von „zusammen leben e.V.“ aus den Trauben Saft gepresst und gekocht und so Verjus hergestellt. Der Produkttest fand dann im Spätsommer in einem einen Kochworkshop statt.
Corona hat uns zwar in vielerlei Hinsicht ausgebremst, aber Not macht bekanntlich auch erfinderisch. So entstand in diesem Frühjahr ein neues Projekt. Gewissermaßen als Ersatz für Präsenzveranstaltungen wurde ein Film-Projekt mit Kurzstatements von Lebensmittelproduzent: innen zu ihren Erfahrungen und den Entwicklungen in der Corona-Krise aus allen drei Ländern realisiert. Der Film wird ab Mai 2021 zu sehen sein. Die einzelnen Interviews können jetzt schon auf unserer Website abgerufen werden.
In Freiburg war Leonora Lorena aus dem FABRIK-Team für das Film-Projekt verantwortlich. Ziel war es, den Weg unserer Lebensmittel von der Aussaat bis zum Verkauf abzubilden. Dazu hat sie zusammen mit der Regisseurin Maja Wadin zehn Menschen aus regionalen und nachhaltigen Projekten aufgesucht und interviewt. Das Ergebnis hat uns so begeistert, dass wir, neben der Galerie mit den einzelnen Interviews und dem Dreiland-Film noch einen Freiburg-Film produziert haben. Dieser erscheint am 25. November 2020.
Das Arbeiten mit den Partner: innen und das Kennenlernen der Workshop-Teilnehmer: innen aus den verschiedenen Ländern hat uns bereichert. Die Wertschätzung unter den Organisator: innen für die Arbeit der jeweilig anderen ist hoch und die Tatsache, dass gegenseitiger Respekt und nicht etwa Konkurrenz entstanden ist, inspiriert uns für weitere, gemeinsame Projekte.